barth. loitz. tribsees. tressentin

barth

 

Meine letzte Zugfahrt: Umsteigen in Velgast. Die Dame mit dem Gehwagen steigt aus. Um. Ich habe sie schon in Stralsund auf dem Bahnsteig gesehen. Sie reist mit einem Kirsch-Baum im Transportkorb. 

Wir pflanzen Schattenbäume, jetzt im ersten Hochsommer-Ereignis. Wir gießen. Wir schwitzen. Die Kastanien sind noch frisch und ohne den Mottenfraß, der schon vorhergesagt ist in Loitz.

Ich laufe nachts barfuß über den Devin. Sommer. Dämmerung mit Weißdorn. Ich esse ein paar Blüten von den Bäumen die am Ufer stehen. Das Wasser ist gerade so nicht mehr kalt. Mein Haar bleicht schon aus. 

Barth schläft noch. Am Hafen wiegen sich die Boote in der Bucht. Jemand hat ein paar slawische Götter aufgestellt. Ein Viergesicht. Ich mache ein paar Fotos. Das Zifferblatt der Kirchturmuhr ist bau. Witzlav hatte ein Schloß. Bogislav auch. Vineta ist umkämpft. Aber ist es auch untergegangen? 

Bilder sind bekanntlich ein Getränk, das unseren Durst nicht stillt sagt W.J.T. Mitchel. Die Plakatwand, an der noch nicht wieder geklebt wird ist fast stumm, verwittert. An ihr lösen sich die Hauptsätze auf.

Bardo ist prolabisch für eine kleine Erhöhung. Steckt im Ortsnamen von Barth sagt Wikipedia. Sagt das Autorenkollektiv. Das ist der Zwischenraum zwischen den einfachen Sätzen.

 

tribsees

Irgendwo anfangen, irgendwo hin reisen. Im Garten sitzen und schauen. Den Durst entfachen, bei mir, bei den Anderen? Mein Auto ist silbern, wie die Dämmerung auf dem Devin, wie die verdunstende Horizontlinie bei Dierhagen. 

Wie die einzelne Robbe am Strand. Ich habe für Euch kein Foto gemacht. Der Strand ist noch schütter besetzt von älteren Touristen. Ich fahre zurück und schlafe in der Gartenhütte. Die Rosen entfalten sich, duften nach Rosen? An der alten Kirsche beginnt ein Efeu zu steigen. Hellgrün. 

Mich rühren die staubigen Fußwege am Ufer. Wie sie schwingen sanft und endlos. 

Da ist der Platz um noch einmal in den Fluß springen, wie in eine Taufe. Tauchen. In Loitz, in Tribsees oder bei Tressentin. Da sind sich die Flüsse gleich? Ich habe mir ein Kanu gebaut? Aus leichtem Holz und einer Haut. Die unwägbare andere Seite aber nicht erreicht. 

Wenn ich die Rosenbüsche an den Straßen berühre, sind sie noch tropfnass vom Gewitter das heute morgen über der Stadt war. Die Schreibmaschine erinnert sich langsam wieder an jeden einzelnen Buchstaben. An Dora Aßmann. Sie ist registriert. Wer kennt Dora Aßmann? Ihre Melde-Daten verlöschen sicher auf dem brüchigen Papier. Irgendwer spricht: Es ist Erika. 

Wir rennen um die Wette. Der Morgenstern blinkt abends. Es regnet Nägel und Balken auf die kleine Stadt. Die tiefen Decken bersten. Schutt. Brandbalken. Der Fluß schnaubt sich die Seerosen aus den Nüstern. Märchenzeit. Es war einmal. Eine Lichtung. Ein Hügel am Fluß. Eine Burg. Ein sicherer Ort. Dicht gedrängt piepsen die Häuserküken. 

Immer betrete ich die Stadt durch das Mühlentor. Durch den Mahlbezirk gehe ich hinein. Circe. Die vielen Müller in den Märchen. Die Altäre. Die Zisterzienser finden Anschluß mit fließendem Wasser. Nix oder Nikolaus werden in den Dienst genommen.

Heute ist überall ein versicherter Ort. Reißendes Hochwasser. Vor den Toren der Stadt wohnt die schöne Müllerin. Die Mühle mahlt vielstimmig. 

Die Hopfenschlinge leert den Wunschbriefkasten. Das Chthontische, das unbeherrschbare Wuchern ist über die Stadtmauern gelangt. Irrlichtert durch die Gassen. Wie der Feuerdrache der manchmal um Mitternacht gesichtet wird. Das Drinnen und Draußen genügt nicht mehr als Kategorie.

Herr Himmelreich baut die Gerüste, die Jakobsleitern, die Podeste an den einstürzenden Fassaden entlang. 

Stille Post. Wir suchen nach dem Spruch. Thomas liegt über den Toren, über den Torheiten der Stadt. Werdet Vorübergehende sagt das Logion 42.

 

irgendwo

Die Rosen fallen in Kaskaden auf den Weg, betäubt von sich selbst, röcheln. Es gibt zeichenhaft leere Rankgerüste. Es gibt einen Rosenhunger. Es gibt einen Weinberg an der Südmauer. Feigenbäume werfen Schatten. 

Wir kriechen durch den Schutt der Tage. Durch die Dinge. Sie verwittern. In der Sommerluft ist alles schön, glitzert. Die Farben sind auf eine Art gesättigt. 

Tribsees ist ein Faß ohne Boden. Eine Art Wurmloch auf die andere Seite.