pütnitz

Ich sitze am Ufer, an dem ich nie war und sehe hinüber. Mit dem Fernglas des Soldaten, der hier wachte, könnte ich mich sehen. 1984. Ich stünde am Internatsfenster und träumte mich irgendwohin. Nebelige Sicht. Der Soldat sitzt in seinem selbstgebauten Wachhäuschen. Sitzt einigermaßen zufrieden. Und raucht. 

 

Sehr große Ameisen wohnen jetzt hier, ich betrachte sie auf den Knien hockend. Sie sind noch langsam. Dunkler Hinterleib und eine rote schmale Taille. Ich falle in ihre Welt? Waldameisen siedeln an besonnten Stellen. Niemand muß mehr wachen oder warten. Hier. Die Grenzen sind verrückt. 

 

Ich entzünde ein kleines Feuer, das Frühjahr ist noch schwach. Ich auch. Die Tiere tragen Borkenplättchen herum. In Zeitlupenbetriebsamkeit. Die Königin legt untertage Eier. Hummelprinzessinnen suchen den Boden ab nach einem Unterschlupf. Uniformreste vergehen im Boden. 

 

Die Stadtkirche von Ribnitz wirkt auf mich immer noch vertraut. Das Schreiben beruhigt meine Angst. Ich stelle mir Leute vor, die mich streng fragen: Was machen Sie hier? Das ist nicht erlaubt!  Hier zu sitzen und mit dem kleinen Feuer Tee zu trinken und an die Achtziger-Jahre zu denken. Das ist verboten. 

 

Ein junger Hund, Schneeflocken und das Geräusch wie von einem Wildschwein, wehen zu mir herüber. Die ersten geöffneten Schlehenblüten sind da, sie blühen bei einem Mauerrest, an dem ein schon fast abgefallenes Teil an einer Armierung hin und her schwankt im Wind. Schwarzdorntinte sticht mir in die Finger. Und befiehlt: Schreib!  

 

Ich schreibe mit einem Schilfkiel, mit den verlorenen Federn der Möwen, der rostigen Schreibmaschine, die aus dem Sumpf ragt. Ich habe wunde Finger vom Schreiben. Heute weht starker Ostwind, ich bin nach Westen gefahren. Das Wäldchen schützt mich und erstickt die brennenden Ruinen, wächst mutig über sie hinweg, über die Kasernen in denen jetzt niemand ist. 

Der Gundermann gibt ein blaues Leuchten ab. Ich hocke mich bei der starken Eiche hin. Und ich stecke mir seine blauen Blüten gierig in den Mund. Die Gegend ist kontaminiert mit irgendetwas. Ich esse Altlasten.

 

Der Kummer und die Kampfmittelberäumung verzögern die Landgier. Als könnte man hier ein Stück Erde besitzen. 

 

Ich stromere herum. Mein Vater muss hier gespielt haben als Kind. Vier Jungen, eine Schwester, Wolfskinder. Verbrennungen, durch eine Explosion, ein Steckschuss, Hunger sind die Worte, die er manchmal darüber verlor. Hunger. Mein Großvater kam zurück. Mein Vater erinnerte vor allem die Schläge.